Ökumenischer Neujahrsempfang aus der Sicht der Frauen

Gut besuchte Veranstaltung in der Neuapostolischen Kirche thematisiert Leihmutterschaft und sexuellen Missbrauch

Die Jahreslosung „Du bist ein Gott, der mich sieht“ stand im Mittelpunkt des ökumenischen Neujahrsempfangs, der am Dienstagabend in der gut besuchten Neuapostolischen Kirche in Sarstedt stattfand. Zudem verfolgten bis zu 41 Menschen die Veranstaltung im Livestream im Internet. Mit viel Musik, vorgetragen von einem Bläserensemble des Gymnasiums und vom Chor der Neuapostolischen Gemeinde, wurden die Wortbeiträge umrahmt.

Der Text, den Christina Wagner aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 16, las, war Grundlage für die Dialogpredigt von Gemeindereferentin Ute Köhler und Pfarrgemeinderätin Marina Seidel der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ ist ein Satz, den eine Frau gesprochen hat, verdeutlicht Ute Köhler. Abraham war eine große Nachkommenschaft verheißen worden. Doch seine Frau Sarai wurde über Jahre nicht schwanger, fühlte sich nutzlos, ihr Ansehen schwand, sie zweifelte an sich und an Gott. Dann traf sie eine schwere Entscheidung und schickte Abraham zu ihrer Magd Hagar.

Marina Seidel spricht die Leihmutterschaft an. Zu Beginn der Corona-Pandemie, als die Grenzen dicht waren und auch zu Anfang des Ukrainekrieges rückte diese Problematik in die Sichtbarkeit. Frauen tragen gegen Bezahlung für reiche Paare Kinder aus. Wer sieht diese Frauen? Wer sieht beide Seiten?

Ute Köhler zeichnete ein Bild der Magd Hagar, die niemanden hat, der für sie spricht, der sie sieht. Sie sollte für Sarai schwanger werden und musste es ertragen, dass Abraham mit ihr schläft, musste es aushalten. Sie fühlte sich benutzt, hatte keine Worte. „Sexuellen Missbraucht gibt es seit Jahrhunderten“, erklärt Köhler, und erst jetzt finden Frauen Worte dafür. Stichwort: #Me Too.

Hagar floh in die Wüste und Gott schickte ihr einen Engel, „der aber keine fromme Soße drüber kippt“, so Ute Köhler, sondern sagte „Geh zurück und demütige dich unter der Hand deiner Herrin. Trotz allem, sagt Hagar, du bist ein Gott, der mich sieht“, betont Marina Seidel. „Alle Menschen wollen gesehen werden.“ Diese Zusage sei gleichzeitig ein Auftrag, andere nicht zu übersehen, mahnt Köhler.

Bürgermeisterin Heike Brennecke erinnerte in ihrem Grußwort daran, dass der letzte ökumenische Neujahrsempfang im Januar 2020 stattfand. „Wer hätte damals gedacht, was in den nächsten drei Jahren passiert? Wie die Welt verändern wird?“ Sie weist auf die vielen Beschränkungen durch Corona, aber auch auf die Montagsspaziergänge der Corona-Leugner hin. Ein Riss sei durch Familien, Freundes- und Kollegenkreise gegangen. Doch es habe auch berührende Momente gegeben, wenn Musikvereine in Altenheimen auf dem Hof musizierten. Sie zeigten damit: Ihr seid nicht vergessen, ihr werdet gesehen.

Fast ein Jahr ist es her, dass Putin die Ukraine überfallen hat und Krieg in Europa herrscht, betonte Brennecke. Menschen sterben, frieren, hungern. Millionen Menschen sind auf der Flucht. „Auch bei uns in Sarstedt haben Geflüchtete Zuflucht gefunden und sind auf eine unglaublich große Hilfsbereitschaft gestoßen. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Das Soziale Kaufhaus und die Lebensmittelausgabe seien ihr eine Herzensangelegenheit, verriet die Bürgermeisterin. „Es dauert mich, dass es so viele Menschen gibt, die darauf angewiesen sind.“ Sie sei aber dankbar, dass sich wiederum so viele Menschen engagierten und spendeten.

Ein weitere Punkt der Rede: Innerhalb der letzten drei Jahre wären viele Verbesserungen der Infrastruktur in Sarstedt vorgenommen worden. Sie hob insbesondere die Bahnunterführung hervor. Erst am Montag sei es zu einem großen Einsatz für alle Hilfskräfte jenseits der Bahn gekommen. „Es gibt nicht mehr die Sorge, dass man wegen der Bahnschranke zu spät kommt.“

Im Anschluss waren alle Anwesenden zu einem gemütlichen Beisammensein in den Räumen der Neuapostolischen Kirche eingeladen.